Das war‘s mit LoF
Lange war es erwartet worden, dann kam es doch ganz plötzlich wie aus heiterem Himmel: Das Ende der LoF-Zulassung in Deutschland ist beschlossene Sache. Am 31. Oktober ist Schluss mit LoF.
Das beliebte Schlupfloch, mit dem ATVs, Quads und Side by Sides in Deutschland durch eine Einzelabnahme nach §21 StVZO als landwirtschaftliche Zugmaschine zugelassen werden und mit offener Leistung und ohne Geschwindigkeitsbegrenzung durch die Gegend brettern konnten, ist geschlossen.
Am 17. Mai 2024 haben abschließend auch die Länder im Bundesrat einer Änderung der StVZO zugestimmt. Jetzt wird es kurz amtsdeutsch: Diese wird damit so geändert, dass künftig die Anforderungen des harmonisierten EU-Genehmigungsrechts bei der Erteilung einer Betriebserlaubnis zu erfüllen sind. Das gilt auch für Einzelabnahmen von Fahrzeugen.
Auf Antrag von Nordrhein-Westfalens gibt es jedoch eine Übergangsfrist bis zum 31. Oktober, um, wie es in dem Antrag heißt, "den Lagerbestand abzubauen und in Fertigung befindliche Fahrzeuge noch auszuliefern". Damit dürften allen Importeuren und Händlern in Deutschland ein riesiger Stein vom Herzen fallen. In der Branche wurde befürchtet, dass die Änderung bereits zum 1. Juni greifen könnte.
Am dem 1. November gelten dann für ATVs, Quads und Side by Sides ausschließlich die EU-Typgehmigungsvorschriften für die jeweilige Fahrzeugklasse. Bei ATVs und Quads ist dies in der Regel die Klasse T3b. Side by Sides werden mehrheitlich der Klasse T1b zugeordnet. In beiden Klassen sind die EU-Anforderungen etwa hinsichtlich der Abgasemission oder der Geräuschentwicklung weitaus strenger gefasst als bei der bisherigen LoF-Zulassung. Bei den Side by Sides wird es noch komplexer, weil hier unter anderem auch Vorschriften hinsichtlich der Stabilität des Überrollkäfigs oder der Sitz- und Gurtverankerungen hinzukommen.
Nach Ansicht von Fachleuten bei TÜV und Dekra dürfte es nach der Änderung der StVZO besonders für reinrassige Sport-Quads oder für den Rennsport konzipierte Side by Sides extrem schwer werden überhaupt noch eine Straßenzulassung zu erhalten. Gleiches gilt für mehr oder weniger exotische Importfahrzeuge.
Für Racer wird‘s schwer mit der Straßenzulassung.
Für die Typgenehmigungsverfahren sind die Hersteller, bzw. Importeure zuständig. Einige haben bereits eine T3b-Typgenehmigung für ihre Fahrzeuge erreicht. Bei den Pathcross-ATVs von ODES zum Beispiel kann man aktuell zwischen einer T3b- oder einer LoF-Zulassung wählen. Auch Can-Am bietet bereits einige Modelle seiner Baureihen Traxter und Outlander als EU-Traktor an. Allerdings - und das ist der große Pferdefuß bei der ganzen Angelegenheit - in beiden Klassen ist die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h begrenzt.
EU-Traktor: Can-Am Traxter Base HD7T
Deswegen herrscht in deutschen Zulassungsstellen derzeit LoF-Alarm. Aktuell versuchen Importeure und Händler ihre gesamten Lagerbestände noch mit einer LoF-Tageszulassung zu versehen. Zum einen ist nämlich nicht immer klar, ob alle bereits produzierten Fahrzeuge tatsächlich auch die künftig geltenden Typengenehmigungsanforderungen der EU erfüllen und entsprechend zugelassen werden können. Zum anderen befürchtet der Handel, dass vermutlich die wenigsten ein auf 60km/h begrenztes ATV oder gar ein sportliches Side by Side kaufen wollen, das von jedem besseren Moped überholt wird. Für bereits als LoF zugelassene Fahrzeuge hingegen gilt der Bestandsschutz. Sie können auch nach dem 31. Oktober als LoF verkauft und in Betrieb genommen werden.
Vermutlich die Zukunft: T3b mit ABS.
Fein raus sind alle Hersteller, die bereits jetzt ihre ATVs mit einer Typgenehmigung als EU-Traktor der Klasse T3b und zusätzlich mit ABS anbieten. Denn mit einem Antiblockiersystem an Bord entfällt die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h. Can-Am hat bereits verschiedene Modelle seiner ATV-Baureihen Outlander und Renegade mit ABS im Portfolio. Access hat seine ATVs schon seit längerem ebenfalls entsprechend ausgerüstet. Auch Kymco liefert seine MXU 700i und 550i nur noch mit ABS. Gleiches gilt für die Blade-Modelle von TGB. CFMOTO schließlich bietet seine komplette ATV-Flotte ab Modelljahr 2024 nur noch mit ABS an.
Bei den Side by Sides ist das Fahrzeugangebot bislang weitaus magerer. Hier hat Can-Am die Nase meilenweit vorn. Die Kanadier bieten bis auf das Basismodell alle Versionen ihres Maverick Trail und Maverick Sport mit dem Blockierverhinderer an. Auch mehrere Varianten des Can-Am Arbeitstiers Traxter sind mit dieser Technologie ausgestattet. Polaris kann immerhin seinen RANGER XP 1000 EPS als EU-Traktor mit ABS liefern und ebenso den General, der hierzulande bislang eher ein Mauerblümchendasein fristet. General 1000 EPS Deluxe ABS heißt das Modell. Bei allen anderen Herstellern herrscht Flaute.
4 Räder, 1 Riemen meint: Durch die Übergangsfrist von mehr als fünf Monaten besteht kein Grund mehr zur Panik. Alle bereits bestellten Fahrzeuge sollten bis Ende Oktober ausgeliefert und als LoF zugelassen sein. Ob dies auch noch für Fahrzeuge gilt, die in den nächsten Tagen und Wochen bestellt werden, kann bestimmt der örtliche Händler sagen. Der Handel wird sich vermutlich weiterhin bevorraten, um auch nach dem 31.10. möglichst lange noch attraktive Fahrzeuge mit voller Leistung und ohne Geschwindigkeitsbegrenzung verkaufen zu können. Die haben dann eine Tageszulassung. Ob die Preise dafür sinken werden oder vielleicht sogar steigen ist noch nicht absehbar.
Eine dicke Gratulation geht auf jeden Fall an alle Hersteller, die sich rechtzeitig auf des Ende des deutschen Sonderwegs eingestellt haben und ihre Fahrzeuge T3b und mit ABS anbieten. Ob andere Hersteller nachziehen und wie schnell das gehen wird, ist derzeit völlig unklar. Fest steht nur: Niemand will auf einem dicken 1000er ATV als EU-Traktor mit 60 durch die Gegend tuckern. Es wird spannend.
Allen Besitzern eines bereits als LoF zugelassenen Fahrzeugs kann die Änderung der StVZO erst einmal herzlich egal sein. Für sie gilt der Bestandsschutz.
📷 Hersteller, kku