Die Elektrischen, Teil 2: Powerland
Elektro ATVs - bislang Fehlanzeige auf dem deutschen Markt. Jetzt bringt das indische Startup Powerland als erster Hersteller ein vollwertiges Elektro-ATV nach Deutschland, den Powerland Tachyon. Bei dem haben es besonders die Räder in sich.
Powerland Agro Tractor Vehicles mit Sitz in Verna im indischen Bundesstaat Goa begann bereits 2017 mit dem Bau von ATVs und später UTVs vornehmlich für den landwirtschaftlichen Betrieb. Zunächst waren die Fahrzeuge mit in Indien sehr beliebten Dieselaggregaten bestückt. 2019 präsentierten die Inder ihr erstes Elektro-ATV. Bei dem diente noch ein Linhai-Chassis als Basis, in das die Inder ihren eigenentwickelten E-Antrieb einpflanzten. Mit dem Tachyon präsentieren sie jetzt zumindest äußerlich das erste eigenständige Modell.
Wer jetzt ein krudes Vehikel aus einem Schwellenland erwartet - Fehlanzeige. Der Tachyon ist ein modern gezeichneter Zweisitzer, der alles hat, was eine ATV heutzutage haben muss. Vor allem aber kann der Tachyon deutlich mehr als die meisten herkömmlichen ATVs. Sein Geheimnis steckt hinter den vier schicken Leichtmetallfellgen. Dort sind nämlich Radnabenmotoren verbaut, die unabhängig voneinander angesteuert und mit Strom versorgt werden können. Eine Vehicle Control Unit, bestehend aus mehr als einem Dutzend Computern, übernimmt die Steuerung und sorgt für eine aktive Antriebsmomentverteilung auf die einzelnen Räder, das sogenannte Torque Vectoring. Der Tachyon realisiert darüber zum Beispiel das automatische Umschalten von Zwei- auf Vierradantrieb on Demand. Ebenso wirken die sauber gekapselten Nabenmotoren als Bergabfahrkontrollsystem.
Was die Inder mit dem Torque Vectoring noch alles anstellen - eine 100%-Sperre zum Beispiel - werden die ersten Fahrberichte zeigen. Bei den Versionen für den indischen Heimatmarkt ist jedenfalls ein sogenanntes Spot Steer Feature verbaut. Drückt man ein bestimmtes Knöpfchen und gibt Strom, dreht sich das Fahrzeug wie ein Kinderkreisel auf der Stelle. Die Räder werden jetzt gegenläufig angetrieben: Eine Seite "fährt" vorwärts, die andere rückwärts - das Fahrzeug dreht sich. Das funktioniert natürlich am besten auf rutschigem Untergrund, wie das Video mit einem gestrippten Vorserienmodelle zeigt.
Wenden auf der Stelle - hoffentlich ist das Knöpfchen auch bei den Europa-Modellen eingebaut. In jedem Trial-Wettbewerb wäre das der Hauptgewinn. Überhaupt sprechen Insider bereits von einem Quantensprung beim Offroad fahren durch die Radnabentechnologie. Dazu gibt es aber auch ganz praktische Vorteile. Alles was bisher aufwändig über komplizierte Mechanik realisiert werden musste, übernimmt jetzt schlicht das Steuergerät. Dadurch kann der Tachyon auf Getriebe, Kupplung, Differenzial sowie auf Achs- und Kardanwellen verzichten. Das reduziert deutlich die Reibungsverluste im Antrieb und führt zu einem Plus an Reichweite, genauso wie die Gewichtsersparnis durch die fehlenden Teile. Leer bringt der Tachyon 375 kg auf die Waage. Getreu dem Motto "was nicht da ist, geht nicht kaputt" spart man sich zusätzlich noch so manchen Euro an Wartungskosten, denn viele Verschleißteile, auch der so anfällige CVT-Riemen, sind eben ganz einfach nicht mehr da.
Ihren Strom beziehen die vier kleinen E-Maschinen aus einen 11 kWh-Batteriepack. Die Bremsanlage mit vier innenbelüfteten Scheibenbremsen ist regenerativ ausgelegt und lädt die Akkus bei jedem Bremsmanöver und bei jeder Bergabfahrt nach. Insgesamt fährt der Tachyon im Eco-Modus maximal 110 km weit. Nach sechs Stunden soll ihn das mitgelieferte Ladegerät wieder bei 100% haben. Maximal liegt laut Hersteller ein Drehmoment von erstaunlichen 200 Nm an jedem Rad an. Das reicht allemal, um hinten knappe 500 kg an den Tachyon zu hängen. Auf die vordere Gepäckbrücke lassen sich 60 kg laden, hinten nimmt das Rack 75 kg auf. Wer es weniger arbeitsam mag, sondern lieber sportlich unterwegs sein will, verlässt ganz einfach den ECO- Fahrmodus und drückt auf BOOST. Dann marschiert der Tachyon von 0 auf 60 km/h in vier Sekunden. Tachyonen sind übrigens winzige Teilchen, die sich schneller als das Licht bewegen. Davon ist der kleine Inder jedoch Lichtjahre entfernt. Schneller als 90 km/h fährt er nämlich mit seiner Zulassung nach L7e nicht.
Parallel zum Tachyon haben die Leute von Powerland auch ein UTV entwickelt. Die Basis hierfür bildet der Linhai T-Boss, in den im Prinzip die identische Antriebstechnologie eingebaut wird. Die Leistungsdaten liegen dabei geringfügig höher. Ob auch das UTV den Weg nach Europa finden wird, ist derzeit noch ungewiss. Der Tachyon jedenfalls hat die größte Hürde für den Import, die EU-Homologation (T3, L7e) bereits genommen.
Als Importeur für Europa fungiert die ILAFA aus Radolfzell am Bodensee. Eigentlich ist das eine biedere Vertriebsgenossenschaft für Landmaschinen. Doch am Bodensee haben sie die geschäftlichen Möglichkeiten der Elektromobilität längst erkannt und einen kleinen Kosmos von Firmen aus dieser Branche um sich geschart. Zusammengefasst ist der neue Geschäftsbereich, der vom Elektro-Skateboard bis zum E-UTV so ziemlich alles bietet, unter dem Namen Zero-Center. Bei Powerland ist die ILAFA inzwischen auch als Teilhaber eingestiegen. Noch im Februar wird das erste Fahrzeug in Deutschland erwartet. Im April soll die erste Lieferung aus Indien eintreffen und damit beginnt der Verkauf. Der Tachyon ist in vier frischen Farben erhältlich und die inzwischen wohl unvermeidliche App zur Fahrzeugferndiagnose ist natürlich auch dabei. Mit einer Zulassung nach T3b wird das Fahrzeug 16990 Euro kosten, inkl. Mwst und zuzüglich Fracht.
4 Räder, 1 Riemen meint: Wer hätte das gedacht - Offroad-HiTech aus Indien! Mit dem Tachyon ist Powerland meilenweit vorne. Auf dem deutschen Markt ist weit und breit kein anderes vollwertiges Elektro-ATV in Sicht. Und mit ihrem sensationellen Antriebskonzept sind die Leute aus Goa ebenfalls allein auf weiter Flur. Wenn jetzt noch die Qualität stimmt, spielt Powerland in der 1. Liga, allerdings auch beim Preis.
📷 🎥: Powerland, ILAFA
▶️ Alle Technischen Daten sind Herstellerangaben
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