Rügen im Herbst

19.10.2024

Onroad ist das neue Offroad, zumindest auf Deutschlands größter Insel. Hier gibt es es uralte Pflasterstraßen, die sind so holprig, dass jeder normale Feldweg würde vor Neid erblassen würde. Feldwege gibt es natürlich auch. Und das Beste: Viele sind frei befahrbar. Eine Tagestour durch den Süden der Insel.

Los geht es ganz gesittet im Seebad Sellin direkt an der Seebrücke. Es soll die schönste der ganzen Insel sein. Die längste mit 394 m ist sie allemal. Die im benachbarten Göhren bringt es gerade einmal auf 280 m. Und in Baabe gibt es überhaupt keine. Allen drei Seebädern aber ist gemeinsam, dass die weiße Bäderarchitektur hier irgendwie liebevoller und nicht so von Investoren durchsaniert wirkt, wie in vielen anderen Orten an der Ostsee.

In Göhren startet gerade der "Rasende Roland" in Richtung Pubus. Die Kleinbahn ist eine von Rügens Toptouristenattraktionen - und das zurecht. Für Techniknostalgiker ist das Bähnchen ein Fest für die Sinne. Es zischt und dampft und der Rauch riecht wunderbar nach verbrannter Kohle. 

Von Göhren geht es hinunter auf die Halbinsel Mönchgut. Wer will kann bis Klein Zicker fahren. Dort ist das Land zu Ende. Aber schon der kleine Schwenk über Lohme und Alt-Reddevitz reicht aus um die Ruhe zu begreifen, die diese Landschaft zwischen Meer und Bodden ausstrahlt.

Fahrerisch interessant wird es nach Lanken-Granitz. Jetzt geht es von der B 196 links ab in die Botanik. Bald kommt die erste Pflasterrumpelpiste, dann wieder schmaler Asphalt. Plattenwege sind dabei und sogar richtige unbefestigte Feldwege. Die sind beinahe besser in Schuss als die Pflasterpisten. Hier kann man schon mal ordentlich auf's Daumengas drücken. Kurven sind eher selten. Trotzdem ist Vorsicht immer geboten. Es sind öffentliche Straßen und selbst auf den unbefestigten Wegen kann jemand entgegenkommen.

Im Hafen von Lauterbach legt gerade die "Kleine Freiheit" an. Sie kommt mit einem Schwarm interessierter Touristen an Bord zurück von einer Robbenbesichtigungstour. Darauf, dass die Robben zurück sind in der südlichen Ostsee, sind sie hier mächtig stolz.

Nach Neuendorf verläuft die Straße dann direkt am Meer. Wer hier sein Häuschen hat, wohnt wirklich in der ersten Reihe am Greifswalder Bodden. Überhaupt das Wasser - bis Altefähr ist es fast immer in Sichtweite. Dort im Hafen hat man einen wunderbaren Blick über den Strelasund auf die Silhouette von Stralsund und auch auf die neue Rügendammbrücke. Die managed heute die Verkehrsströme auf die Insel und zurück. Der alte Rügendamm ist für Nostalgiker und die Fähre rüber nach Stralsund sowieso.

Die Route führt jetzt stramm nach Norden. Straßen und Wege bleiben schmal und das Wasser ist auch wieder da. Aber dann geht es ab ins Innere der Insel. Die Landschaft ist nun hügeliger und bewaldeter als an der Küste. Die K11 führt direkt am Flugplatz Rügen vorbei und weiter Richtung Putbus. Putbus' Zentrum bildet ein geschlossenes klassizistisches Architekturensemble. Die Häuser sind weiß gestrichen, daher auch der Beiname "weiße Stadt. Berühmt sind der Markt mit dem Theater und der Circus, ein kreisförmiger Platz mit einem Obelisken in der Mitte.

Von ganz anderer architektonischer Qualität ist der "Koloss von Prora". Der liegt direkt an der Ostseeküste gleich nördlich von Binz. Geplant und gebaut wurde er als nationalsozialistisches KdF-Seebad Rügen für 20.000 gleichzeitig urlaubende Voksgenossen. Doch der 2. Weltkrig beerdigte alle Urlaubspläne. Über gigantische 4,5 Kilometer erstreckte sich ursprünglich der fünfstöckige Betonriegel. Erhalten sind heute noch etwas mehr als die Hälfte. Inzwischen sind die meisten der sogenannten Blöcke schicke Hotel- und Appartmentanlagen. So hat sich die Ursprungsplanung doch noch auf seltsame Art erfüllt. Wer die Zeit hat, sollte unbedingt das Dokumentationszentrum besuchen. Ein Blick in die zellenartigen Urlauberzimmer aus den 1930er macht klar, wie sehr die Ansprüche seitdem gestiegen sind.


Wirklich nach Urlaub fühlt es sich in Binz an: Toller Strand, lange Seebrücke, imposantes Kurhaus und viele noble Cafés, Restaurants und Geschäfte. Die Tour endet aber ganz profan an der örtlichen Tankstelle, denn auftanken ist jetzt sicher nötig.

Vier Räder, 1 Riemen meint: Unglaublich, wieviel Offroad auf einer Ferieninsel mit vielen Naturschutzgebieten legal möglich ist. Aber es gibt auch jede Menge zu gucken. Wer mehr Wert auf's Fahren legt: In der Gegend südlich von Garz ist noch einiges an Wegen zu entdecken. Aber go slow. Was erlaubt ist, soll bitte auch erlaubt bleiben.

ℹ️ Die Route lässt sich kostenfrei über diesen Link zur Seite outdooractive.com navigieren.