Wissenswertes über T3b/ABS
Über die ab November auch in Deutschland für alle neu zugelassenen ATVs gültige Fahrzeugklasse T3b kursieren die wildesten Behauptungen. Von gesetzlich vorgeschriebener Höchstgeschwindigkeit, Abgasuntersuchung, Besteuerung nach Schadstoffausstoss und teurerer Versicherung ist die Rede. 4 Räder, 1 Riemen prüft was wahr ist und was nicht.
Behauptung Nr. 1: Die Höchstgeschwindigkeit bei T3b/ABS ist gesetzlich vorgeschrieben.
Diese These hält sich am hartnäckigsten in der Szene. Die einen sprechen von 100km/h, andere von 105 als Höchstgrenze. Manche machen die EU verantwortlich, andere die Bundesregierung oder einfach "die da oben". Fakt jedoch ist: Es gibt keine generell festgelegte Höchstgeschwindigkeit wie etwa die 60 km/h bei den T3b ohne ABS. Allerdings sind auch die EU-Traktoren mit ABS in Sachen Top-Speed begrenzt, jedoch unterschiedlich je nach Fahrzeug. Entscheidend ist die Geräuschemission - Faustregel: Je leiser ein Fahrzeug ist, umso schneller darf es fahren.
Wie die Höchstgeschwindigkeit ermittelt wird, regelt eine EU-Verordnung (1). Und jetzt wird es ein bisschen kompliziert: Ein ATV fährt mit drei Vierteln seiner Höchstgeschwindigkeit auf eine 20 m lange Messstrecke zu. Am Beginn der Messstrecke gibt der Fahrer abrupt Vollgas und am Ende der 20 m nimmt er ebenso plötzlich das Gas weg. In der Mitte der Messstrecke ist in 7,5 m Abstand zur Fahrzeugmittelachse ein Schallpegelmessgerät in exakt 1,2 m Höhe installiert. Das darf während des ganzen Versuchs nicht mehr als 85 dB(A) anzeigen. Jetzt experimentieren die Hersteller oder Importeure solange mit unterschiedlichen Anfahrgeschwindigkeiten, bis das Gerät exakt 85 dB (A) anzeigt. Der Rest ist Mathematik: Anfahrgeschwindigkeit bei 85 dB(A) geteilt durch 75 mal 100 = zulässige Höchstgeschwindigkeit.
Mit dieser Maximalgeschwindigkeit erhalten die Fahrzeuge ihre Typgenehmigung. Der Wert wird auch entsprechend in die Zulassungspapiere eingetragen und - ganz wichtig - die Fahrzeuge müssen bei Erreichen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verlässlich abgeregelt werden. Eine simple mechanische Begrenzung des Daumengashebels zum Beispiel ist nicht zulässig. Die könnte jeder Laie abmontieren. Deswegen passiert die Abregelung meist elektronisch in den tieferen Schichten des Steuergeräts. Bei CFMOTO zum Beispiel wird sie über das Geschwindigkeitssignal gesteuert. Bei 105 km/h machen die 1000er und 850er CForce-Modelle zu.
Bei der 1000er TGB Blade greift das Steuergerät bei 108 km/h mäßigend ein, bei der Access Tectra 860 schon bei 100 km/h. Eben diese Access Tectra 860 dient ab jetzt für die weitere Recherche als Beispielfahrzeug für eine T3b/ABS-Zulassung. Mit ihren 781 ccm Hubraum und 43 kW ist sie von der Leistung her fast identisch mit der Odes Pathcross 800. Die ist mit 800 ccm und 44 kW angegeben und kann als LoF- oder T3b-Variante begrenzt auf 60 km/h geordert werden. Mit diesen Fahrzeugen und Zulassungsvarianten sollen die weiteren Behauptungen untersucht werden.
Behauptung Nr. 2: T3b-Fahrzeuge brauchen eine Abgasuntersuchung.
Dieser Meinung waren sogar eine Prüfstelle, die "4 Räder, 1 Riemen" direkt vor Ort befragt hat. Beim TÜV Nord in Hannover heißt es aber auf Anfrage klipp und klar: "Eine Abgasuntersuchung ist (…) nicht erforderlich." Das bestätigt auch die DEKRA in Stuttgart. Traktoren für Land- und Forstwirtschaft benötigen keine AU. Bei der Hauptuntersuchung gibt es ebenfalls keine Unterschiede zwischen einem LoF und T3b-Fahrzeug, weil beide eine eine Leermasse in fahrbereitem Zustand bis 600 kg und eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit über 40 km/h haben. Somit ändert sich auch bei den Gebühren nichts. Der TÜV Nord verlangt aktuell zwischen 64 und 67 Euro für die ATV-Plakette. Bei der DEKRA fallen je nach Region zwischen 56,50 und 72 Euro an.
Behauptung Nr. 3: T3b/ABS-Fahrzeuge werden wie Autos besteuert.
Auch das ist falsch. Abgaswerte, Hubraum oder Leistung spielen keine Rolle. Dem Zoll sind auch LoF-oder T3b-Zulassung egal. "Es handelt sich in beiden Fällen um Zugmaschinen auf Rädern mit einer Leermasse bis zu 600 kg", teilt das Hauptzollamt Magdeburg auf Anfrage mit. "Die Kraftfahrzeugsteuer wird hier nach dem zulässigen Gesamtgewicht berechnet", heißt es weiter.
Behauptung Nr. 4: Die Versicherung wird deutlich teurer.
Auch hier schickt "4 Räder, 1 Riemen" wieder seine Testkandidaten ins Rennen. Zusätzlich gibt es einen bei allen Anfragen identischen "Max Mustermann" als Versicherungsnehmer, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen. Bei vier Versicherungen wurden die Prämien angefragt für die Haftpflichtversicherung und dazu Teil-, bzw. Vollkasko mit der jeweils geringsten Selbstbeteiligung.
Aber egal ob LoF oder EU-Traktor, die Versicherung eines ATV ist ein hartes Brot, was gelegentlich auch an der Unwissenheit der Versicherer liegen mag. Der Regionalversicherer "Die Bayerische" jedenfalls erklärt nach 14 Tagen und drei Nachfragen mit entwaffnender Offenheit, dass man keine Auskunft zu den Prämien geben könne, "da Quad-Zulassungen nicht zu unserem Schwerpunkt zählen".
Bei der HUK Coburg ist die Sache einfach. Egal ob Haftpflicht, Teil- oder Vollkasko, die jeweiligen Prämien sind bei allen drei Zulassungsarten absolut identisch. Die Kosten für die Haftpflicht sind dabei erfreulich niedrig. Auch die Signal Iduna steht für absolute Gleichbehandlung. Sie stuft alle Trecker, egal ob Riesen-Fendt oder Mini-ATV in dieselbe sogenannte Wagnisklasse ein, wenn aus den Papieren hervorgeht, dass es sich um eine landwirtschaftliche Zugmaschine handelt. Für die letztendliche Höhe der Haftpflichtprämie ist dann die Leistung des jeweiligen Fahrzeugs entscheidend. Die Höchstgeschwindigkeit spielt keine Rolle. Die beiden Vergleichsfahrzeuge haben eine fast identische Leistung und kosten daher dasselbe, egal mit welcher Zulassungsart.
Anders sieht es beim Branchenführer Allianz aus. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Prämien für T3b und T3b/ABS sind auf den Cent genau gleich, aber deutlich höher als bei der LoF-Zulassung. Die Haftpflicht ist fast dreimal so teuer. Bei der Teilkasko beträgt der Aufschlag ein knappes Drittel, bei der Vollkasko gut die Hälfte.
Diese Ergebnisse sind jedoch nicht mehr als ein Fingerzeig, dass an dem Gerücht "höhere Versicherungsprämien" etwas dran sein könnte. Allerdings gibt es auch jetzt schon bei den LoFs erhebliche Preisunterschiede zwischen den Versicherern.
4 Räder, 1 Riemen meint: Die Verunsicherung in der Szene ist groß. Viele Käufer schlagen offenbar jetzt noch schnell zu, damit sie mit einer LoF-Zulassung auf der sicheren Seite sind. Das zeigen jedenfalls die Marktdaten, die der Branchenverband ZIV regelmäßig erhebt. Danach lagen die ATV-Verkäufe im Mai, als das LoF-Aus bekannt wurde, um fast 70 Prozent über denen des Vorjahresmonats.
Doch bei genauer Betrachtung muss niemand Sorge vor dem LoF-Aus am 31. Oktober haben. Die Mehrzahl der Hersteller wird ihre Fahrzeuge mit ABS nachrüsten. Die Preise werden, wenn überhaupt, nicht dramatisch steigen. Anbieter wie CFMOTO sind mir ihren ABS-Modellen auch jetzt schon im Vergleich mit LoF-Fahrzeugen preislich absolut konkurrenzfähig. Vielleicht gehen ein paar Stundenkilometer bei der Höchstgeschwindigkeit verloren. Doch dafür bringt das ABS ein deutliches Mehr an Sicherheit. Bei den Unterhaltskosten ändert sich im Grunde nichts. Nur beim Thema Versicherung wird eines wohl immer wichtiger: Vergleichen, vergleichen, vergleichen.
ℹ️ (1) DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2018/985 DER KOMMISSION
vom 12. Februar 2018 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 167/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Anforderungen an die Umweltverträglichkeit und die Leistung der Antriebseinheit land- und forstwirtschaftlicher Fahrzeuge und ihrer Motoren und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/96 der Kommission.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32018R0985
Siehe dort Anhang II.
📷 Hersteller, bzw. Importeure
🙏 Dank an Jürgen Lebherz (TÜV Süd) und René Loeschnigg ( Hans Leeb GmbH)/CFMOTO) für die Unterstützung der Recherche.